top of page

Kavaliersdelikt

Aachen, Germany

…und wieder spürte ich, wie die Blicke der umstehenden Kollegen unerbittlich an meinen Kleidern zerrten. Verstohlen meist, aber für mich fast körperlich spürbar. Für mich kein Kompliment sondern eine tägliche Konfrontation. Die Spießruten geben den Weg vor. Keine Wendung bringt Befreiung. Jede offene Tür macht Angst. Betretenem Schweigen folgt verständnisvolles Unverständnis von den  Beistehern. Der Applaus ist unüberhörbar leise. Wegschauen bleibt die wohlerlernten Tugend. „Selber Schuld, wenn du deine Nägel rot lackierst, wurde mir oft gesagt. So werden für mich schon morgens beim Anziehen aus trivialen Normalitäten bleischwere Gewichte, die Seele und Körper belasten. Kavaliere begehen Delikte. Unverurteilt. Bagatellen machen mich zum Kollateralschaden. Damit müsse ich als Frau nun mal leben, sagt mir sogar eine gute Freundin. Ein engmaschiges Muster aus „Traditionen“ ebnet den Weg. Ausweg aussichtslos. “Ich verstehe dein Problem nicht. Ich wollte dir nur ein Kompliment machen.“ Alleine diese Aussage löst in mir eine unglaubliche Frustration aus. Weil man(n) der Ansicht ist, ich müsse jegliche Augen-Blicke (und Kommentare) zu meinem Äußeren dankbar annehmen. Dabei weiß ich sehr wohl zu unterscheiden zwischen einem aufrichtigen, respektvollen Kompliment und sexueller Belästigung. Eigentlich ist ja nichts passiert - und trotzdem sitze ich jetzt wieder da und weine. 

PORTFOLIO #344

Who caused what the picture shows? Who is responsible? Is it excusable? Was it inevitable? Is there some state of affairs which we have accepted up to now that ought to be challenged?
bottom of page